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Medizinische Hypnose ist eine seriöse Therapie. Viele Studien dokumentieren die Wirksamkeit bei Schmerz, Hörsturz, Herpes, Sucht und Ängsten.

Auf Jahrmärkten und bei Zirkusveranstaltungen hat sie schon seit Jahrhunderten ihren festen Platz und ihren schlechten Ruf bekommen: Hypnose als Machtinstrument über willenlose Menschen, die alles tun, was der Meister befiehlt. Aber das hat nichts mit Hypnosetherapie zu tun. Seriöse Verfahren, die inzwischen auch in die Medizin Eingang fanden, entwickelten sich seit Mesmer, der 1750 magnetische Heilkräfte entdeckte, über den Einsatz als Narkose durch britische Ärzte (1850) bis zu einem flexiblen therapeutischen Instrument durch den amerikanischen Arzt und Psychotherapeuten Milton Erickson in den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts.

Vor etwa 30 Jahren wurde das Verfahren dann von den Münchner Psychologen Burkhard Peter und Wilhelm Gerl zurück nach Deutschland „geholt“ und hat sich seitdem auf vielen Einsatzgebieten bewährt: in der Zahnheilkunde, der inneren Medizin, der Schmerztherapie, bei Nikotinsucht, Fettsucht, Streß und Ängsten, bei Zwängen und in der Traumatherapie von Menschen, die immer wieder von ihren Erinnerungen an Gewalt oder Katastrophen heimgesucht werden.

„Kritisch ist ihr Einsatz in der forensischen Psychologie, wo Zeugen mit Hilfe von Hypnose ihr Erinnerungsvermögen auffrischen sollen“, sagt allerdings der Psychologe Bernhard Trenkle aus Rottweil im Schwarzwald, der von 1996 bis 2003 Vorsitzender der größten Hypnose-Fachgesellschaft (Milton-Erickson-Gesellschaft) in Deutschland war. „Das wurde früher vor allem in den USA gemacht. Unterdessen sind Aussagen, die unter Hypnose gewonnen werden, vor amerikanischen Gerichten aber nicht zugelassen, weil durch Suggestionen die Wahrheit verfälscht werden kann.“

Die medizinische Psychologie setzt Hypnose in Zusammenarbeit mit Ärzten ein, um die Tortur von Knochenmarktransplantationen zu lindern, Magenspiegelungen erträglicher zu machen, Tumorschmerzen und Migräne zu lindern, Geburten zu erleichtern, Hörsturz, Tinnitus und Schwindelanfälle zu behandeln, bei Neurodermitis, Herpes und Schlafstörungen. Besonders auch Kinder bei Schul- und Prüfungsangst, Lernstörungen, sozialen Ängsten, Bettnässen und Sprachstörungen profitieren davon. Und Sportler vor ihrem Wettkampf.

Aber wie genau wirkt Hypnose? „Sie verändert die Aufmerksamkeitsbreite und die Wahrnehmung, indem sie belastende Reize ausblendet und Innenbilder verstärkt. Sie hilft bei der eher unbewußten Verarbeitung von Erlebnissen, die verstandesmäßig nicht gelingen will“, sagt der Tübinger Psychologieprofessor Dirk Revenstorf, der Hunderte von Studien zur Wirksamkeit von Hypnose miteinander verglichen hat, vor allem solche mit Langzeitbeobachtung und ausreichend großen Stichproben, Zufallsauswahl der Patienten und einer gut abgesicherten Erfolgsmessung. „Außerdem muß das Problem, gegen das Hypnose eingesetzt wird, nach internationalen Standards klar definiert sein.“

Bei diesem Erfolgsvergleich zeichnen sich einige Schwerpunkte ab. Wirksam ist Hypnosetherapie demnach vor allem bei Angststörungen, Schmerzen, der Raucherentwöhnung und anderen Süchten. „Trinken zum Beispiel, aber nicht ohne gleichzeitige Sozialtherapie, also Veränderung des Milieus, in dem der Süchtige lebt“, sagt Revenstorf. Bei Schlafstörungen reduzieren Patienten mit Hilfe von Hypnose ihre Einschlafzeit von 70 auf 25 Minuten. Prüfungs- oder Flugangst wird geringer, je näher der angstbesetzte Termin rückt (unbehandelt ist es umgekehrt).

Besonders erfolgreich scheint die zahnärztliche Hypnose zu sein, etwa bei Patienten, die keine Schmerzmittel vertragen. Inzwischen haben in Deutschland schon rund 2000 Zahnärzte ein entsprechendes Zertifikat zur Hypnosebehandlung erworben.

Und auch die klassische Verhaltenstherapie, die bisher eher mit dem Verstand arbeitete, öffnet sich gegenüber der Hypnose. Wie überhaupt Therapieschulen ihre dogmatische Abgrenzung aufzugeben scheinen. Revenstorf: „Die Übergänge werden fließend, und das ist auch gut so, denn der Mensch lebt nicht vom Verstand oder vom Unbewußten allein.“ Und im Gegensatz zum Zirkuszauber wird seriöse Hypnose immer nur zum Wohle des Patienten eingesetzt, mit seinem Einverständnis, mit seiner Hilfe und nur so weit, wie er es will. Es kommt darauf an, daß er seine unbewußten Kräfte allmählich als seine eigenen erkennt.

Artikel erschienen am Di, 4. Januar 2005

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